Eine bemerkenswerte Trainerkarriere

Von Claus Melchior

 

Hierzulande dürfte der Name Emanuel Schaffer nur noch einer kleinen Schar von Fußballfreunden ein Begriff sein; in seiner zweiten Heimat Israel aber ist er bis heute eine Legende als einziger Trainer, der das Land zu einer Fußballweltmeisterschaft geführt hat. Doch nicht nur deshalb verdient es die Geschichte des Emanuel Schaffer der Vergessenheit entrissen zu werden.

 

Schaffer wurde 1923 in Drohobycz, einer galizischen Stadt, damals polnisch, heute zur Ukraine gehörend. Kurz danach übersiedelte die Familie nach Deutschland, wo sie sich zunächst in Marl und schließlich in Recklinghausen niederließ. Grund für das Verlassen der alten Heimat könnte der Wunsch gewesen sein, dem dort verbreiteten Antisemitismus zu entkommen. Von dem wurden die Schaffers allerdings auch in Deutschland bald eingeholt, weshalb die Familie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung über Frankreich und das Saarland wieder nach Polen zurückkehrte. Der junge Emanuel hatte sich inzwischen als talentierter Fußballer erwiesen, doch in den Kriegsjahren war an Fußball kaum zu denken. Ihm gelang die Flucht; er durchstand den Krieg in Alma Ata, während seine Eltern und Geschwister – vermutlich 1941 bei einem Massaker – ums Leben kamen. Nach Kriegsende kehrte er nach Polen zurück; eine Tante hatte mit ihrer Familie die Shoah überlebt. Er spielte wieder Fußball, entzog sich jedoch 1950 der Einberufung zur polnischen Armee durch die Flucht nach Israel.

 

Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn, die er zunächst auch in Israel fortgesetzt hatte, wollte er als Trainer arbeiten. Zu diesem Zweck absolvierte er 1958 an der Sporthochschule Köln den Kurs zum Erwerb des Trainerdiploms. Daraus entstand eine enge Freundschaft mit dem Leiter des Kurses, Hennes Weisweiler; eine Freundschaft, die auch über den Tod der beiden Protagonisten hinaus von den Familien gepflegt wurde.

 

Schaffer arbeitete fortan, neben einigen geschäftlichen Unternehmungen, als Trainer und übte in dieser Funktion eine prägende Wirkung auf den Fußball in Israel aus. In seiner ersten Periode als Nationaltrainer betreute er das israelische Team bei den Olympischen Spielen in Mexiko, das mit Siegen über Ghana und El Salvador hinter Gruppensieger Ungarn das Viertelfinale erreichte. In dieser Runde zog man sich gegen Bulgarien mit einem 1:1 nach Verlängerung mehr als achtbar aus der Affäre und verpasste den Einzug ins Halbfinale nur durch den damals üblichen Losentscheid. Bei der WM in Mexiko hießen die Gruppengegner Uruguay, Schweden und Italien. Der krasse Außenseiter Israel landete zwar wie erwartet auf dem letzten Gruppenplatz, doch mit Unentschieden gegen Schweden und Italien gelangen Schaffers Mannschaft zwei große Überraschungen.

 

Die Freundschaft zwischen Schaffer und Weisweiler erwies sich in jenen Jahren als Katalysator bei der Begründung israelisch-deutscher Fußballbeziehungen. Borussia Mönchengladbach reiste mehrfach nach Israel und bestritt eine Reihe von Spielen, das erste im Februar 1970 gegen die israelische Nationalmannschaft; auch Shmuel Rosenberg, der erste israelische Spieler in der Bundesliga, der zahlreiche Familienmitglieder im Holocaust verloren hatte, wurde von den Gladbachern verpflichtet.

 

Das Buch dokumentiert auch Schaffers juristischen Kampf um die ihm gesetzlich zustehende Wiedergutmachungszahlungen durch den bundesdeutschen Staat. Erschreckend hier die Regelmäßigkeit, mit der damals in den 1950ern deutsche Beamte Schaffer als Angehörigen der "jüdischen Rasse" klassifizierten, also voll in nationalsozialistischen Rassentheorien verhaftet waren, die vollständig diskreditiert hätten sein müssen. Immerhin erhielt Schaffer die ihm zustehenden Gelder, die das ihm und seiner Familie zugefügte Leid aber natürlich in keiner Weise kompensieren konnten.

 

Emanuel Schaffer war nicht nur ein bedeutender Fußballtrainer, sondern auch ein Botschafter für das Land Israel, der nicht unerheblich zu Annährung und Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden beitrug. Ihm in Gestalt dieses Buches ein Denkmal gesetzt zu haben, ist ein großes Verdienst der Autoren wie auch des Verlags Die Werkstatt. Und nicht zuletzt mag das Buch auch als Mahnmal für all jene geschichtsvergessenen Deutschen dienen, die meinen, trotz des von Deutschen an Juden begangenen größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte, könnten und dürften wir Israel als einen Staat wie jeden anderen behandeln.

 

Lorenz Peiffer / Moshe Zimmermann, Emanuel Schaffer: Zwischen Fußball und Geschichtspolitik – Eine jüdische Trainerkarriere (Bielefeld: Verlag Die Werkstatt, 2021. € 22,00).

 


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