Ein heranwachsender Katholik und der Strassenfussball in einem Westschweizer Arbeiterquartier
Fabian Brändle
Marcel Maillard wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Genf der 1910er und 1920er Jahre auf. Der Vater war einfacher Arbeiter. Der spätere linke, sozialistisch, ja anarchistisch denkende Sportjournalist interessierte sich bereits in frühen Jahren für den Sport allgemein, für Boxen, Leichtathletik, den Radsport im Besonderen, aber vor allem für den Fussball und für Servette Genf sowie für andere Genfer Vereine wie den FC Genf und für Urania, zwei Traditionsvereine, die später fusionieren sollten.
Als Katholik war der Knabe Marcel Maillard in einer Minderheitenposition in der reformierten Calvinstadt und besuchte entsprechend eine spezielle katholische Schule. Dort kickten er und seine circa zwanzig Freunde jeden Donnerstagnachmittag neunzig Minuten lang auf dem kleinen Pfarrhof, auf vielleicht 80 Quadratmetern. Dies war natürlich sehr eng, zu eng zum Kicken, förderte aber die subtile Ballkontrolle und die Dribbelfähigkeit. So sei es keine Seltenheit gewesen, auf einer Fläche von einem Quadratmeter fünf Gegenspieler abgeschüttelt zu haben.
Da kam den jungen Talenten ein Match gegen die elitären Priesterseminaristen von Saint-Louis gerade recht. Diese waren vor dem Spiel die eigentlichen Favoriten, trainierten sie doch mindestens einmal pro Tag auf ihrem guten Sportplatz. Das war ganz im Sinne des engagierten katholischen englischen Pfarrers in der Schweiz, Freeley, der als Schiedsrichter und Mitglied des Fussballverbandes das Kicken förderte und auch in gezähmte Bahnen lenken wollte. Im Jahre 1919 begründete Freeley eine katholische Westschweizer Fussballiga mit, der auch Marcel Maillard als Aktiver angehören sollte.
Nun, die Priesterseminaristen hatten beim Match kurz gesagt nicht den Hauch einer Chance und verloren das denkwürdige Spiel sang- und klanglos mit 1-19 (das Rückspiel war etwas knapper mit 11-8 ausgegangen). Marcel Mailard trug genau wie Alain Roche nicht weniger als fünf Tore zum unerwartet deutlichen Kantersieg bei und freute sich diebisch über den Sieg gegen die „Mehrbesseren“, die meisten von ihnen vornehmere Bürgersöhne.
Zu diesem Zeitpunkt las der Knabe bereits die Sportpresse auch aus Frankreich aufmerksam durch. Er freute sich nochmals, als die Schweiz an den Olympischen Spielen des Jahres 1924 in Paris das Finale gegen Uruguay erreichte und dieses zwar mit 0-3 chancenlos verlor, aber viel internationale Anerkennung einheimste. Die Spiele der helvetischen Olympioniken konnte Maillard in der einheimischen Sportpresse nachverfolgen.
Marcel Maillard machte später sein Hobby zum Beruf und wurde ein beliebter Sportjournalist in der Deutschschweiz, unter anderem in Bern und in Zürich.
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