BRÄNDLES BALLBERICHT


 

Der Fischer vom Zürichsee

Ein Gruß aus der alten Heimat

 

Fabian Brändle

 

Wir vermissen ihn sehr in Zürich, den „Üse“. Urs Fischer hat den Zürcher Vereinsfussball während Jahrzehnten geprägt, als Libero genauso wie als Trainer. Er hat sich stets verausgabt, seine Knochen hingehalten, ist keinem Kopfballduell ausgewichen, ist gerannt, bis er nicht mehr konnte. Sein Stammverein, der FC Zürich (FCZ), war damals nicht überaus erfolgreich, sonnte sich im Glanz der 1970er Jahre, als nach epischen Duellen gegen den FC Basel mit Fritz Künzli, Jakob „Köbi“ Kuhn, Karl Grob, Rene Botteron oder mit Jure Jerkovic einige Meistertitel und Pokalsiege eingefahren worden waren.

Urs Fischer wurde im Jahre 1966 im luzernischen Triengen geboren, ist also vier Jahre älter als ich. Er wuchs im Stadtzürcher Aussenquartier Affoltern auf und schloss sich bereits im Jahre 1973, mit lediglich sieben Jahren, der Jugendabteilung des FC Zürich an. Im Jahre 1984 debütierte er in der ersten Mannschaft, für die er insgesamt über 300 Spiele absolvierte. Zudem war Urs Fischer während einem längeren Intermezzo für den Ligakonkurrenten FC St. Gallen aktiv (243 Spiele).

Rund 550 Nationalligaspiele (15 Tore), das macht ihm so schnell kein Zweiter nach. Sein vielleicht grösster Triumph als Spieler feierte der Libero im Jahre 2000, als er gegen Lausanne Sports im Berner Wankdorf nach Penaltyschiessen Cupsieger wurde. Ich war an diesem denkwürdigen Spiel präsent. Endlich, nach so vielen herben Niederlagen, hatte der FCZ wieder einmal einen Titel gewonnen. Das war Balsam auf die vernarbte Fanseele. Im darauf folgenden Europapokal erzielte Fischer in Glasgow gegen Celtic einen kuriosen, wichtigen Treffer. Ein als Flanke gedachter Ball wurde immer länger und senkte sich hinter dem verdutzten Torwart hinweg ins Tor. Das wichtige Auswärtstor war geschafft. Im denkwürdigen Heimspiel im alten „Letzigrund“ gewann der FCZ mit 4-2, um dann in der nächsten Runde gegen die altehrwürdige AS Roma nur knapp und durchaus umstritten auszuscheiden.

Viermal wurde Urs Fischer unter dem deutschen Nationalcoach Uli Stielike für die schweizerische Nationalmannschaft aufgeboten. In einem Freundschaftsspiel gegen Argentinien hatte er ausgerechnet Diego Armando Maradona zu decken und machte seine Sache sehr gut, mit Einsatz, wie immer.

Auch nach seinem Rücktritt als Spieler im Jahre 2003 blieb Fischer seinem FCZ treu. Er übernahm Jugendmannschaften als Trainer und führte die starke U-21 zu einigen schönen Erfolgen. Im Jahre 2010 übernahm Fischer die erste Mannschaft vom unglücklichen, entlassenen Jurassier Bernard Challandes, der übrigens heute mit einigem Erfolg die Nationalmannschaft Kosovos trainiert. Urs Fischer führte seinen Club auf den sehr guten zweiten Tabellenrang. Hätte der französische Stürmer Alexandre Alphonse im entscheidenden Match gegen den FC Basel das bereits verwaiste Tor aus kurzer Distanz getroffen, wäre der FCZ sogar Meister geworden (Endstand 2-2, zwei Tore Alex Freis). Im nächsten Jahr lief es dann nicht mehr ganz so rund. Zudem verkaufte Präsident Ancillo Caneppa in der Winterpause einige Leistungsträger, die nicht adäquat ersetzt wurden. Der FCZ kam in der Rückrunde nicht auf Touren, und gemäss der knallharten Logik des Geschäfts wurde die Zürcher Clublegende Urs Fischer sehr zum Unmut der treuen Fans schnöde entlassen.

Wer glaubte, ein echter Fischersmann vom Zürichsee schmeisse nach einem Rückschlag gleich das Handtuch, sah sich getäuscht. Beim FC Thun, einem kleinen Club aus dem Berner Oberland, leistete Fischer sehr gute Basisarbeit und hielt den eher armen Club weit von den Abstiegsrängen fern.

Urs Fischer ist noch heute ein gern gesehener Gast im Berner Oberland. Seine bescheidene, ruhige, etwas trockene, sachbezogene, hemdsärmelige Art machen ihn bei den Fans beliebt. „Uese“ Fischer ist kein Blender, sicher auch nicht der brillante Theoretiker wie ein Arrigo Sacchi oder wie ein Pep Guardiola.. Aber er versteht es dafür, eine Vereinskultur zu lesen, auch aus weniger guten Spielern das Beste herauszukitzeln. Und Urs Fischer ist loyal, steht zu seinem Wort, auf ihn ist Verlass.

Diese Eigenschaften und sein relativer Erfolg mit dem kleinen FC Thun machten die Verantwortlichen des Ligaprimus FC Basel (Hauptsponsor Chemiegigant Novartis) auf Urs Fischer aufmerksam. Fischer wurde zum äusserst erfolgreichen Cheftrainer am Rheinknie, indem er in zwei Jahren zwei Meistertitel und einen Pokalsieg einheimste – und wurde trotzdem entlassen. Er spiele zu wenig attraktiven Fussball, so die für ihn bittere Begründung. In Basel werden sie diesen Schritt bereuen, da bin ich mir sicher. Denn der Dauermeister der 2010er Jahre wurde zuletzt dreimal von den Young Boys aus Bern distanziert. Hochmut kommt vor dem Fall, so heisst es bereits in der Bibel in den Sprüchen Salomos.

Nach kurzer Arbeitslosigkeit heuerte Fischer in der Zweiten Bundesliga bei Union Berlin an, schaffte den Aufsteig in die Erste und trotz begrenzter Mittel auch den Ligaerhalt, ein weiterer Leistungsausweis des ehemaligen Zürcher Kapitäns. Ob er dies im zweiten Jahr wiederholen kann, ist schwierig vorauszusehen. Der Verein aus Köpenick verstärkte sich, verlor aber auch seinen schwedischen Topscorer.

Interessant ist übrigens, dass auch Urs Fischers Tochter Rihanna Fussball spielt, natürlich als Verteidigerin beim die Liga dominierenden FC Zürich Frauen, oftmals so schnörkellos, wie dies ihr Vater einst getan hat. Und mit Einsatz, so wie der Fischer vom Zürichsee. In einem komischen Clip beweist auch Rihanna Fischer ihren trockenen Humor: Gemäss dem Wunsch ihres Vaters wäre sie besser Eiskunstläuferin geworden, meinte sie verschmitzt lächelnd.

 


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