BRÄNDLES BALLBERICHT


 

Nutzlosolo

 

Fussballer und ihre Übernamen

 

Fabian Brändle

 

Namentlich die lateinische Welt ist wie versessen darauf, ihren Fussballern und Idolem Übernamen zu verleihen. Emilio Butragueño, der einstige Stürmer von Real Madrid, war „el buitre“ (der Geier), der italienische Goalgetter Paolo Rossi (Perugia, Juventus) das „Engelsgesicht“, der kleingewachsene Argentinier Ortega „das Eselchen“. In Brasilien legten sich die Sportler gleich selbst Übernamen zu, so Socrates oder Paolo Dynamito. In Deutschland war man zumindest auf den ersten Blick hin sachlicher, aus Karl-Heinz wurde „Kalle“, aus Wolfram Wuttke wurde „Wutti“. Doch gibt es auch hier Glanz und Glorie zu vermelden wie beim „Kaiser Franz“, beim „Katsche“ und wie bei noch vielen Ungenannten mehr. Lustig waren die Verballhornungen von Augenthaler zu „Auge“ und Schweinsteiger zu „Schweini“.

Die Schweiz zeigte sich im grossen Ganzen meist ähnlich humorlos wie der nördliche Nachbar, ja homophob wie beim Falle Alain Sutters, der seiner langen blonde Haare wegen bloss „Susi“ genannt wurde. Daniel Gygax wurde zu „Gygi“, Riccardo Cabanas zu „Ritschi“, Urs Güntensperger zu „Günti“.

Etwas Fantasievoller ging man im Falle von GC bei Torhüter Bürki (BVB) zu Werke, den noch heutzutage alle Welt „Sexy“ nennt. Er sieht auch entsprechend gut aus. Viel Bösartiger war der Volksmund bei Bürkis Torhüter-Vorgänger Marco Pascolo (Servette Genf, US Cagliari, FC Zürich), den er schnöde, aber nicht ganz unwitzig, mit „Fiascolo“ abqualifizierte. Das war mehr als fies, finde ich, denn der reflexstarke Marco Pascolo war der mit Abstand beste Schweizer Goalie der 1990er Jahre.

Sie können sich wohl bereits ausdenken, dass auch wir uns auch gerne beteiligten am heiteren Übernamenverleih, wir, die immer fröhlichen „linken“ und halblinken Fans des FC Zürich. Da musste manchmal ein Nationalspieler dran glauben, so der pfeilschnelle Aussenverteidiger Marc Hottiger vom FC Sion (später Newcastle United), dem ich den an sich etwas bösartigen Übernamen „Hottiger Hirniläufer“ verpasste. Marc Hottiger war zwar sehr schnell, wie gesagt, rannte auch oft irgendwo hin, auch ins Abseits, konnte jedoch in der Regel weder flanken noch präzise passen. So versandeten seine Rushes. Immerhin war er defensiv zuverlässig. So gesehen war Hottigers Spitzname gerechtfertigt.

Bei Mittelstürmer Oliver Muff (FC Luzern, FCZ, GC) erübrigte sich ein längeres Suchen, denn was reimt sich auf „Muff“ und ist in der Umgangssprache bordellartig? Urs Fischer war schlicht und grandios der „Fischer vom Zürisee“, sein Verteidigerkollege Giuseppe Gambino avancierte zum Biergott „Gambrinus“ (einst auch ein beliebtes Lokal in Zürich). Der etwas phlegmatische, aber technisch einwandfreie Romand Xavier Margairaz schliesslich wurde kurzerhand zur galertartigen „Margarine“. Und Blerim Dzemaili (Napoli, Bologna, FCZ), heute noch aktiv, war ganz einfach der „Pfosten-Blerim“, weil er im Achtelfinale einer Weltmeisterschaft gegen Argentinien aus rund einem Meter an den Pfosten köpfelte und auch den folgenden Abpraller nicht verwertete. Lustig, nech?

Stürmerstar Alexander „Alex“ Frei (Servette, Rennes, FC Basel, BVB) sagte ich einmal vor dem alten Stadion Letzigrund fadengrad ins Gesicht, er sei so sehr berühmt, denn sein Name prange auf jedem Schweizer WC. Der eitle und ungemein ehrgeizige „Speuzer“ (er spukte einmal einem Engländer in den Nacken, „speuzen“ schweizerisch=spuken) Alexander Frei, der selbst ernannte „Strafraumkönig“ (so der Titel seiner Autobiographie) reagierte wie erwartet humorlos und meinte, wir wären noch so froh, wenn er beim FCZ spielen würde.

Manchmal waren wir aber auch wirklich kreativ, so im Falle des YB-Mittelfeldspielers Raphael Nuzzolo, dem Freund und Graphiker Christian Theiler kurzerhand den Übernamen „Nutzlosolo“ verpasste. Das war sogar ein echtes Wortspiel. Raphael Nuzzolo war zwar ein feiner Techniker, verfehlte aber bei YB oft genug das Tor um Haaresbreite. So machte er sich zum Gespött der Zürcher Kurve. Zur Tormaschine avancierte er erst nach seinem Transfer zu jenem Xamax Neuenburg als bereits älterer Sportler, das er quasi im Alleingang in die „Super League“ schiessen sollte, und auch dort, schon weit über 35-jährig, viele Tore erzielte. Aus „Nutzlosolo“ war innert weniger Jahre ein wahrer Nutz geworden, sehr zu unserer Überraschung.

Auch ganz witzig war der Übername des aus dem Thurgau stammenden, somit hellvokaligen, oftmals unglücklich agierenden Torhüters Pascal („Pasci“) Zuberbühler (GC, Bayer Leverkusen, FC Basel, Nationalmannschaft), den man in der Schweiz brav mit „Zubi“ abkürzte. Das war mir viel zu wenig lustig. Ich fügte folglich frech ein „A“ ein, und aus „Zubi“ war flugs der „Azubi“ geworden. Kleine Operation, grosse Wirkung.

 


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